Die Geschichte eines Kunstunterrichts bei 10-Jährigen zum Thema „Mein Lieblingsessen – Mon repas préférée“ auf zwei Kontinenten: im Evang. Heidehof-Gymnasium/Stuttgart/Deutschland/Europa und Mon Devoir/Lomé/Togo/Afrika.

„Das Fach Kunst, das du unterrichtest, das gibt es dort gar nicht“, so sagte mir Kollege Joachim Wendebourg im Vorfeld der für die Faschingsferien 2018 geplanten Lehrer-Togo-Reise. „Das wäre schon spannend, wenn du dort etwas mit Kunst machen könntest.“ Oje. Afrika war weit weg und die Möglichkeiten für „etwas mit Kunst machen“ sicher zahllos, doch mangels genauerer Kenntnis der dortigen Verhältnisse war für mich kaum einschätzbar, was denn überhaupt möglich war. Mit welchen Vorkenntnissen hatte ich zu rechnen? Auf was konnte ich vor Ort zurückgreifen? Und reichte mein Französisch? Ich gebe zu: Es hat mich sehr gereizt. Eine Idee musste her. Hätte ich denn jemals wieder die Gelegenheit in einer afrikanischen Schule zu unterrichten? Doch eine Idee stellte sich erst ein, als ich beim Aufräumen im Fachbereich Kunst die liegen gebliebenen und nie abgeholten Wasserfarbkästen ehemaliger Schüler in die Hand nahm: Warum nicht die nach Afrika mitnehmen? Ich sortierte, warf leere Näpfe weg, ergänzte aus anderen Kästen. Eine Zählung ergab schließlich rund 40 brauchbare Stück, genug also, dass 80 Schüler je zu zweit damit malen konnten. Als Neuware eingekauft wären das rund 400 ,-€, vielleicht mehr, da einige Kästen 24 Näpfe enthielten, nicht nur 12. Was bei uns halb verbraucht und gebraucht liegen bleibt, das gibt es in Togo gar nicht zu kaufen, wie sich dort herausstellte. Zu ergänzen waren nun noch Deckweiß und Pinsel.

Ich würde innerhalb einer kurzen Zeitspanne in Europa und Afrika unterrichten: Was wäre, wenn ein Thema, in beiden Erdteilen umgesetzt, einen kulturellen Vergleich ermöglichen würde? Einen Vergleich, der für Kinder interessant ist, aus ihrer Lebenswelt stammt und nicht so sehr die erwartbare wirtschaftliche Schere bloßlegt, die sich hier schon im Vorfeld am Stellenwert von Wasserfarbenkästen zeigte? Also ließ ich die an diesem Tag verkleidete Klasse 5b des Evangelischen Heidehof-Gymnasiums in der Faschingszeit auf einfaches, dünnes Kopierpapier das Thema „Mein Lieblingsessen“ malen: Zum Bild der Lieblingsspeise noch eine kurze Beschreibung, woraus sie besteht und warum sie Lieblingsspeise ist. Das Thema erzeugte sofort begeisterte Gespräche über kulinarische Vorlieben und Abneigungen. Die Bildresultate konnte ich nach Afrika mitnehmen, die 5b leider nicht. Die Bilder wurden sozusagen zu gemalten Briefen: „Hey, wir essen das hier gerne. Und ihr dort?“ Diese Post sollte ankommen.

Mit einem Koffer voller Wasserfarben und A4-Papier in Afrika angekommen, wollte ich das gleiche Thema in der Schule „Mon Devoir“ umsetzen. Die dafür notwendigen französischen Sätze hatte ich mir zurechtgelegt, aus „Mein Lieblingsessen“ wurde nun „Mon repas préférée“. Die Mitgereisten halfen beim Zusammensuchen von Plastikwasserflaschen, aus denen Wassergefäße im Klassensatz gemacht wurden. Joachim Wendebourg hatte für den Malunterricht an der Schule eine 5. Klasse erbeten, was dort dem 5. Grundschuljahr (6-jährig) entspricht. Einen Wasseranschluss gab es auch auf dem Gelände der Schule, die äußeren Bedingungen waren also gegeben. Theoretisch.

Am dafür vorgesehenen Tag stellten wir fest, dass zu der angekündigten Klasse noch einige Kinder dazu gesetzt worden waren: Zu dritt saßen also die togoischen Kinder auf kurzen Holzbänken, der zugehörige Tisch erlaubte gerade so das Querlegen der Blätter, der Wasserbehälter passte gerade noch dazu. Bald 50 Kinder waren in den Raum gequetscht, die Temperatur betrug 31 Grad, doch die Kinder waren unglaublich diszipliniert und harrten der Dinge, die die Fremden mit ihnen vorhatten.

Zunächst stellte sich heraus, dass keines der Kinder jemals zuvor einen Pinsel in der Hand gehabt hatte, das Wort „pinceau“ war weitgehend unbekannt.

Nun musste also zuerst Grundsätzliches zur Wasserfarbenmalerei ausprobiert und unterrichtet werden. Das nahm zusätzliche Zeit in Anspruch. Zuerst einmal mussten die Kinder den Gebrauch eines Pinsels erlernen, also ins Wasser tauchen, die Farbe im Napf damit anlösen, dann übers Papier ziehen, nicht schieben. Nach meiner Demonstration machten alle Kinder zunächst einen identischen Strich in der Mitte ihres Blattes. Daraus wurden bald mehr. Dann musste ausprobiert werden, was das jeweilige Mengenverhältnis von Wasser und aufgenommener Farbe für unterschiedliche Ergebnisse hervorrufen kann: lasierender und deckender Farbauftrag – und dass es dabei nur auf das Ziel ankommt, es kein Richtig oder Falsch gibt. Allmählich wurden die Kinder freier, auch etwas lebendiger, sie begannen eigene Motive zu malen, blieben jedoch trotz feuchtheißem Klima diszipliniert. Viele „Monsieur“-Rufe zeigten, dass Blätter vollgemalt waren und neue gebraucht wurden. Das eigentliche Thema konnte beginnen. Das Malen mache ihnen Spaß, sagten einige Kinder mir auf Französisch.  Insgesamt dauerte dieser Intensivkurs von den ersten Schritten bis zur „Lieblingsessen“-Aufgabe ungefähr 3 Stunden. Zum Schluss sahen sich die togoischen Schüler die deutschen Bilder an, die wir auf dem Boden neben ihren eigenen ausgelegt hatten. In diesem, für die Inhaltsmenge trotzdem kurzen Zeitraum lernten die Kinder Dinge kennen und selber machen, die bei uns in viel größeren Zeiträumen unterrichtet werden, natürlicherweise fehlte es ihnen an Übung. Die Ergebnisse zeigen, dass ihnen das Zeichnen vertraut war, das Malen aber neu. Der Fairness halber muss gesagt sein, dass die deutsche Klasse mehr Zeit hatte, so sind in Togo viele Hintergründe weiß geblieben. Die Bilder beider Kontinente haben wir schließlich geteilt, die jeweiligen Hälften als Gastgeschenke dagelassen, bzw. mitgebracht. Die 5b hat die „Antwortbriefe“ also gesehen.

Was essen die Kinder denn nun im Vergleich? Während bei uns europäisch-internationale Gerichte vorherrschen, von Spätzle bis Pommes und Pizza, so isst man in Togo offenbar viel Reis oder Couscous mit Huhn oder Fisch. Überraschend war, dass in diesem Land, in dem Ananas, Bananen und Mangos reif geerntet werden, einige Kinder Äpfel lieben: Welches deutsche Kind erklärt den Apfel, der hier leicht verfügbar ist, zu seiner Lieblingsspeise?

Kollegen der togolesischen Schule hatten zunächst kurz Sorge, wir würden die Farben wieder mitnehmen, sie wollten sie gerne auch im Unterricht einsetzen. Einer Kollegin dort zeigte ich den Umgang mit den Farben. Sie probierte aus, war begeistert.

In der Fotoauswahl kann man die verschiedenen Bilder und Malsituationen gut vergleichen.

Christian Lang


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